Panorama

31.01.2024

Mit dem E-Auto zum Nordkap – und das mitten im Winter!


Alle Teilnehmer der eNordkapp-Challenge 2023 am Nordkap

Wie kommt man bloß auf eine solch ausgefallene Idee? Natürlich per Zufall!

...Tilo Wedemeyer

Als Helge Altmann aus Eisdorf vor genau zwei Jahren mit seinem damals relativ neuen E-Auto an der A 7 bei Rhüden einen Ladestopp einlegte, bemerkte er an der Nachbarladesäule ein Auto, das mit dem Schriftzug eNordkapp-Challenge 2021 #eNC2021 und einer Startnummer beklebt war. Das weckte sein Interesse und aus dem anschließenden Gespräch mit dem Fahrer entwickelte sich sein Wunsch, selber einmal an dieser Veranstaltung teilzunehmen. So bewarb er sich bei dem Schweizer Organisator, Peer Haupt, um eine Teilnahme, die ihm dann für 2023 zugesagt wurde. 

© Tilo WedemeyerBei der eNordkapp-Challenge handelt es sich um eine Fahrt von etwa einem Dutzend Teams mit ihren E-Autos zum Nordkap, Europas nördlichstem mit einem Fahrzeug erreichbaren Punkt, mitten im Winter. Das Ziel ist es, den Beweis zu erbringen, diese Herausforderung (nichts anderes  bedeutet „challenge“) mit handelsüblichen E-Autos verschiedener Hersteller und ganz normalen Fahrern und Fahrerinnen, also keinen Rallye-Profis, zu bestehen. Zu bewältigen sind eine fast 4000 km lange Strecke, mehrheitlich auf zweispurigen und kurvenreichen Landstraßen, die durch Berge und an Meeresbuchten vorbeiführen. Hinzu kommten die Jahreszeit mit ihren vereisten und verschneiten Straßen sowie die sehr kurzen Tage und extrem niedrigen Temperaturen, die schon mal bei -30° C liegen können, so dass der Batterie des Fahrzeugs das Äußerste abverlangt wird und ein vorausschauendes Lademanagement nötig wird, um der Gefahr des Liegenbleibens mitten in der eiskalten Wildnis Nordnorwegens vorzubeugen. Es geht nicht um Schnelligkeit, sondern darum, die festgelegten Tagesetappen bis zum Abend zu schaffen, um dann noch gemeinsam essen zu gehen und den jeweils nächsten Tag zu planen.

Eine solche Tour unternimmt man besser als Team, und so stießen noch Dieter Sinram aus Badenhausen, selbst begeisterter E-Autofahrer und 1. Vorsitzender von „Mobiles Eisdorf e.V.“, sowie Tilo Wedemeyer aus Förste, der Verfasser dieses Berichtes, dazu.

Los ging es für uns drei Sösetaler am 27.12.2023 schon um 04:00 Uhr, denn der offizielle Start der eNordkapp-Challenge war für 10:00 Uhr in Flensburg-Handewitt festgelegt worden. Nach 400 km und zwei Ladestopps haben wir Deutschlands Nordgrenze rechtzeitig erreicht. Hier erwartete alle Teilnehmer ein reichhaltiges Frühstück, gesponsert von dem dort ansässigen Energieinfrastrukturunternehmen, team energie GmbH & Co. KG. Als die insgesamt 10 Teams vollzählig versammelt, die Batterien aufgeladen, die Startnummern und Aufkleber an den Autos angebracht und die eNordkapp-Challenge 2023 vom Veranstalter offiziell eröffnet sowie Fotos von allen teilnehmenden Fahrzeugen und ihren Fahrern bzw. Fahrerinnen gemacht worden waren, begann die erste Etappe, die durch ganz Dänemark zum Fährhafen Frederikshavn und von dort per Schiff über den Kattegat ins schwedische Göteborg führte, wo alle kurz vor Mitternacht todmüde eintrafen.

Der nächste Morgen begann mit einer Überraschung: Es hatte über Nacht geschneit, so dass erst einmal das Auto vom Schnee befreit werden musste. Was folgte, war die mit lediglich 300 km kürzeste Etappe der ganzen Fahrt. Doch von nun an hatten wir ununterbrochen mit winterlichen Straßenverhältnissen und Minusgraden zu tun. Abends in Oslo wurden alle Teams von dem norwegischen Ladesäulenanbieter +KEMPOWER zur Besichtigung eines großen Ladeparks und zu einem opulenten Pizzaessen im Stadtzentrum eingeladen. Die nächsten Etappen führten über Trondheim und Mo i Rana durch immer dünner besiedelte, aber wildere Landschaften, in denen sich bisweilen auch Elche am Straßenrand zeigten.

Die Gegenden waren geprägt von Bergen, Fjorden, die je nach Süßwasseranteil zugefroren waren, und Hochebenen im Saltfjellet, einer Gebirgskette in der Region Nordland, durch die der Polarkreis verläuft. Gerade hier besteht immer die Gefahr von Schneeverwehungen, die eine Weiterfahrt für viele Stunden oder sogar Tage unmöglich machen können. Doch wir und auch die anderen teilnehmenden hatten Glück und erreichten dieses mal  ohne Verkehrsbehinderungen unsere jeweiligen Etappenziele.

Am Silvesterabend kamen alle Teams per Fähre vom Festland auf den Lofoten-Inseln an, die mit ihren schneebedeckten Bergen auf uns wirkten, als wären die Alpen dem Meer entstiegen.  Hier gab es eine dreitägige Ruhepause, die die Möglichkeit zum Erkunden dieser nördlich des Polarkreises liegenden Inselgruppe bot. Leider waren die Tage extrem kurz und bestanden nur aus einer etwa dreistündigen Dämmerung. Die Sonne schaffte es nicht mehr, sich über den Horizont zu erheben. Doch einige Lokale hatten geöffnet und boten unter anderem natürlich Fischgerichte an. Und mitten in der ersten Nacht des neuen Jahres  gab es die ersehnten und für uns sehr beeindruckenden Polarlichter zu sehen.

Mittlerweile fielen die Temperaturen auf etwa -20°C – und damit sank auch die Reichweite der Batterien der E-Autos. Wir kamen nur noch halb so weit wie in der südniedersächsischen Heimat. Doch dieser Umstand führte zu keinen Problemen, da die Ladeinfrastruktur in ganz Skandinavien flächendeckend ausgebaut ist, sodass es immer eine Ladestation in Reichweite mit einer ausreichenden Zahl an Ladesäulen gab und keine Wartezeiten auftraten. Doch die vielen Ladestopps gingen allmählich auf die Nerven! Genauso wie die endlos erscheinenden Nächte nördlich des Polarkreises.

Nach drei weiteren Etappen über Narvik und Alta kamen wir und die anderen Teams mit unseren Fahrzeugen am 5. Januar 2024 vormittags in Honningsvåg an, welches heute als nördlichste Stadt der Erde gilt.

Von dort ist es zwar nicht mehr weit zum Nordkap, aber die letzten 15 km dürfen im Winter nur im Konvoi gefahren werden -und das zu lediglich zwei möglichen Startzeiten. Da schon eine lange Fahrt hinter uns lag, ging es erst um 12:00 Uhr vom Checkpoint los. Vorweg fuhr ein schweres Räumfahrzeug, ohne das niemand an dem Tag zum Ziel gelangt wäre, denn der starke Wind führte in der baumlosen Tundralandschaft im äußersten Norden Europas zu erheblichen Schneeverwehungen. Überglücklich erreichten eine halbe Stunde später und nach insgesamt 4000 km alle acht Tage zuvor in Flensburg-Handewitt gestarteten Teams das heißersehnte, doch in Kälte erstarrte Ziel: das Nordkap. Aber dort war es sehr ungemütlich, da ein stetiger eisiger Wind wehte. 

Nach der üblichen Fahrzeugparade und den Fotoaufnahmen aller Beteiligten und ihrer E-Autos ging es nach zwei Stunden Verweildauer in bereits stockfinsterer Nacht dem Räumfahrzeug hinterher zurück bis zum letzten gemeinsamen Quartier in dem kleinen Ort Skarsvåg nicht weit vom Nordkap.

Waren bislang alle Teams immer die gleichen Etappen gefahren, konnte der Rückweg individuell gestaltet werden. Wir, das Team 304  aus dem Sösetal entschied sich für eine zügige Rückfahrt in die Heimat und startete diese vor allen anderen bereits am Morgen des Dreikönigstages. Dies sollte sich als enormer Vorteil erweisen, denn am nächsten Tag war die Strecke wegen Schneeverwehungen und Lawinenabgängen für alle anderen stundenlang gesperrt. 

Die 3000 km lange Rückfahrt führte uns durch Norwegens nördlichste Region, die Finnmark, ein kurzes Stück Finnland und dann durch Schweden bis an die Ostsee. Es ging stetig, doch mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 80 km/h für mitteleuropäische Verhältnisse eher langsam voran. Das lag an den Straßen, die im Norden alle zweispurig sind, und den Straßenverhältnissen. In Skandinavien wird sehr aufmerksam geräumt, auch die Nebenstraßen. Doch es wird nicht gestreut, sodass man auf einer plattgewalzten Schneeschicht fährt, die mitunter sehr glatt sein kann. Die Skandinavier jedenfalls sind darauf eingestellt, sei es durch spezielle Bereifung (sogar Spikes sind erlaubt) oder Allradantrieb. Ab Luleå im Norden der schwedischen Ostsee ging es dann flotter voran auf vierspurigen Fernverkehrsstraßen und einer zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 110km/h.

Nach zwei Nachtfahrten und einer Übernachtung in der Universitätsstadt Uppsala ging es über die Öresundbrücke an Kopenhagen vorbei nach Gedserhavn, von wo eine Fähre das Eisdorfer E-Mobil mitsamt seiner Besatzung nach Deutschland übersetzte. Von Fehmarn war es im Vergleich zu den Tausenden von Kilometern, die wir bereits zurückgelegt hatten, ein Kinderspiel, die Heimat am Westrand des Harzes am frühen Morgen des 09.01.2024 zu erreichen.

Hat sich denn der ganze Aufwand überhaupt gelohnt?

Wir drei Sösetaler Fahrer beantworten die Frage einstimmig mit ja. Es ist ein schönes Gefühl, als Team mit einem zuverlässigen E-Auto die große Herausforderung der eNordkapp-Challenge bestanden zu haben. Es ging durch zauberhafte skandinavische Winterlandschaften mit immer noch intakten Wäldern, wunderschönen Landschaften, wobei besonders die Lofoten-Inseln hervorstachen. Die langen Fahrten im Dunkeln waren anstrengend, aber als Dreier-Team  ohne Schwierigkeiten zu meistern. 

Hilfreich war dabei auch das rücksichtsvolle Fahrverhalten der Norweger: ohne Drängelei und Raserei oder gar Lichthupe. Überhaupt machten die Skandinavier einen sehr entspannten Eindruck. Sie erwiesen sich als zunächst wortkarg, aber nach Ansprache als sehr hilfsbereit und kommunikativ – und das in durchweg gutem Englisch!

Wer jetzt Lust bekommen hat, sich über das Projekt zu informieren, oder in Erwägung zieht, selber einmal mitzufahren, sollte die Website www.eNordkapp-Challenge.org aufrufen

Dem Sösetaler Team hat das eAbenteuer Nordkapp jedenfalls sehr gefallen und wir würde wieder dorthin mit einem E-Auto  reisen. Dann aber im Sommer, wenn die Tage lang, die Reichweite länger und die Straßen eisfrei sind.


Lofotenpanorama

Nachts auf den Lofoten

Polarlicht mit eAuto

...

Durch Schwedens Norden

 

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