Panorama

29.12.2023

„Wenn du dem Thema Armut aus dem Weg gehen willst, ist das hier der falsche Ort“


Interview mit Jannik Föhrke von der Osteroder Tafel

von Christian Dolle

Jannik Föhrke ist 22 und arbeitet seit Jahren ehrenamtlich bei der Osteroder Tafel. Was das für ihn bedeutet und warum er die Arbeit für wichtig hält, erläutert er im Interview. 

Wie kamst du zur Tafel? 

Nach meinem Abitur wusste ich noch nicht genau, was ich danach machen sollte. Studium oder Ausbildung oder doch erstmal einen Freiwilligendienst? Durch einen Zeitungsartikel wurde ich aufmerksam, dass hier Fahrer gesucht werden und obwohl ich noch 17 war, fragte ich einfach mal nach. 

Da ist es als Fahrer schwierig. Was waren deine ersten Tätigkeiten hier?

Zunächst einmal habe ich mir die Arbeit als Beifahrer angeguckt, ob es überhaupt etwas für mich ist und ob ich es mir ein ganzes Jahr über vorstellen kann. Allerdings dachte ich nach der ersten Woche noch: Hier bleibe ich nicht. 

Warum das?

Man muss sich die Touren so vorstellen, dass wir jeden Morgen zu den Supermärkten oder Bäckereien fährt und Lebensmittel abholt. Dann hat man meistens auch noch eine Tour zu einer der Ausgabestellen. Die beiden Fahrer, die mich eingearbeitet haben, waren super nett, aber sprachen leider wenig Deutsch, was gerade zur Einarbeitung hinderlich ist. Und die körperliche Arbeit darf man eben auch nicht unterschätzen. Sechs Tage in der Woche war das damals ziemlich viel. 

Warum bist du dann doch dabeigeblieben?

Die anfängliche Unsicherheit hat sich ziemlich schnell gelegt, es pendelte sich ein und ich wollte es auch durchziehen. Außerdem merkt man schnell, wie wichtig diese Arbeit für sehr viele Leute ist. Als ich anfing, hatte ich überhaupt keine Ahnung vom System Tafel, aber ich wollte eben auch soziale Arbeit leisten. Die Erfahrung wollte ich machen. 

Inzwischen bist du etliche Jahre hier...

Ja, rückblickend kann ich sagen, dass es eine gute Entscheidung war, dranzubleiben und hier Erfahrungen zu machen. 

Jetzt studierst du und weißt, wohin du beruflich gehen willst, arbeitest hier aber ehrenamtlich weiter, übernimmst auch Aufgaben in Sachen Öffentlichkeitsarbeit. Du bist also immer noch überzeugt, wie wichtig die Arbeit der Tafel ist?

Ja, ich konnte von Anfang an Ideen und Anregungen einbringen, das fängt bei den Touren an, die immer mal wieder optimiert werden können, und betrifft auch andere Aspekte, auf die ich vielleicht einen anderen Blick habe. Da werden meine Vorschläge gehört und der jetzige Vorstand ist sehr offen dafür. 

Würdest du jemandem, der in der Situation ist wie du damals, den Bundesfreiwilligendienst oder generell die Arbeit bei der Tafel empfehlen? 

Was man wissen sollte, ist, dass man Geduld braucht und auch etwas abkönnen muss. Wenn du dem Thema Armut aus dem Weg gehen willst, ist das hier der falsche Ort. Du siehst vieles, was dich zum Nachdenken über unsere Gesellschaft bringt. 

Aber merkst du nicht auch, dass du als Einzelperson etwas bewirken kannst?

Genau das ist eben das Schöne. Hier hat man einen Ort, an dem man sieht, dass man gebraucht wird. Hier ist die Hilfe nicht umsonst, jeden Tag, den ich herkomme, jede Stunde, die ich herkomme, ist total nützliche Zeit. Man kann anderen Leuten wirklich helfen und das ist meine Motivation. Bestimmt wäre es für viele Leute interessant, sich die Arbeit der Tafel mal anzugucken. 

Das komplette Interview gibt es auch auf Youtube:

Derzeit sucht die Osteroder Tafel wieder neue Fahrer und Beifahrer. Wer also selbst Erfahrungen machen möchte, wer Lebensmittel vor der Mülltonne retten und jene unterstützen will, die sich sonst nicht genug leisten können, ist herzlich willkommen. 

 

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