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22.09.2023

„Die können doch zur Tafel gehen“


Video mit Aussagen einer Unionspolitikerin sorgt für Empörung

...Christian Dolle

Bei X aka Twitter ging dieser Tage ein Video viral, das die Unionspolitikerin Andrea Behr bei einer Wahlkampfveranstaltung zeigte. Es gab einen Zwischenruf aus dem Publikum, ob Kinder angesichts der von der CDU/CSU kritisierten Erhöhung des Bürgergeldes denn hungern sollten. Daraufhin sagte Behr: „Die können doch zur Tafel gehen, die sind doch tafelberechtigt.“

Dieser Satz löste Empörung aus. Bei all jenen, die für die Erhöhung sind, bei jenen, die sich mit Kinderarmut auseinandersetzen und etlichen Menschen mehr, die eine solche Aussage als höchst unsozial und auch als alles andere als christlich empfinden. Auch die Tafel selbst hat sich geäußert. 

„Unverschämtheit. Ehrenamtliche Angebote, für vorübergehende Notsituationen gedacht, ersetzen nicht den Staat. Dass sich die Not bei so vielen Menschen verfestigt hat, ist auch Folge der Politik von CDU/CSU. Statt etwas zu ändern, wird widerlich abfällig über Betroffene gesprochen“, hieß es von der Tafel Deutschland e.V. und weiter: „Wir sind eine private, spendenbasierte, ehrenamtliche Initiative. Es gibt KEINEN Anspruch auf Unterstützung. Wenn eine Tafel z.B. zu wenig Lebensmittel hat, kann sie keine Menschen neu unterstützen, auch wenn sie die Aufnahmekriterien erfüllen würden.“

Bei der Osteroder Tafel gibt es diese Situation häufiger. Immer wieder sind Lebensmittel knapp, Familien stehen auf der Warteliste, nicht allen kann geholfen werden. Die Lebensmittel, die in den Ausgabestellen an Menschen ausgegeben werden, die diese Hilfe bitter nötig haben, kommen von Geschäften aus der Region, es sind Lebensmittel, die sonst weggeworfen werden würden. Kommt von dort nichts, bleibt auch nichts für die Tafel. 

Selbstverständlich gibt es auch Spenden, auch kommunale, also die Politik hier steht hinter der Tafel. Allerdings müssen auch Fahrzeuge, Kühlhaus, Mitarbeiter und vieles mehr finanziert werden, alles auf Basis eines gemeinnützigen Vereins. Wenn nun eine Politikerin diese Unterstützung offenbar als Einrichtung des Sozialstaates ansieht, als etwas, das zum Bürgergeld „noch obendrauf“ kommt, dann ist das allerdings eine Unverschämtheit und ein Schlag ins Gesicht für all jene, die bei der Tafel ehrenamtlich arbeiten, um Versäumnisse des Staates auszugleichen. 

Daher stellte die Osteroder Tafel eine Anfrage an die hiesige CDU-Kreistagsfraktion und bat um eine Stellungnahme. „Die von Ihnen angesprochene Aussage, Betroffene „können doch zur Tafel gehen“, ruft auch beim CDU-Kreisverband Göttingen und der CDU-Kreistagsfraktion Göttingen Unverständnis hervor“, heißt es in der vom Kreisvorsitzenden Fritz Güntzler und vom Fraktionsvorsitzenden Andreas Körner unterzeichneten Antwort, „Die Tafeln arbeiten spendenfinanziert, sind ein ehrenamtliches Angebot und ersetzen selbstverständlich keine staatlichen Leistungen.“

Allerdings, würden viele Menschen davon ausgehen, dass es sich bei der Tafel um eine öffentliche Einrichtung handele, da auch die Sozialämter explizit darauf verweisen. Passender sei jedoch die Bezeichnung „Pannendienst“ der Gesellschaft, die der Soziologe Stefan Selke prägte. Die Aussage von Frau Behr werde also zurecht kritisiert und geben nicht die Meinung der CDU und CSU wieder. 

„Wir werden uns hier vor Ort und im Bundestag dafür einsetzen, dass die Tafeln in Zukunft keine Lebensnotwendigkeit für Familien, Alleinerziehende, Rentnerinnen und Rentner und Geflüchtete sind“, heißt es abschließend in jenem Schreiben. Ganz konkret brachte die CDU-Kreistagsfraktion einen Antrag zum Haushalt 2023/24 ein, dass der Landkreis in den kommenden beiden Jahren für die Tafeln im Kreis Göttingen erstmals einen Unterstützungsfonds bereitstellen wird. Dieser Antrag wurde vom Kreistag angenommen. „Das soll zumindest ein kleiner kommunaler Beitrag dafür sein, Menschen in Not in unserem Landkreis unterstützen zu können.“ Na das klingt doch schon besser. 

 

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