Kultur / Federkiel

08.04.2023

Osterwasserschöpfen – ein alter Brauch auch in Förste


Emma Mügges Erinnerungen

...Joachim Schwerthelm

Vorbemerkung: Das Gespräch mit Emma Mügge ums Osterwasserschöpfen fand 1990 statt und wurde damals für die Nachwelt schriftlich festgehalten. Das Osterwasserschöpfen war nicht nur in Förste, sondern im ganzen Harz ein alter Brauch. Besonders junge Mädchen und Frauen glaubten an die heilenden Kräfte des Wassers. Es sollte, den Überlieferungen nach, gegen Unfruchtbarkeit und Schmerzen aller Art, vornehmlich gegen Augenleiden helfen.

„Und wenn man sich damit wäscht, bekommt man eine schöne Haut!“ fügte Emma Mügge verschmitzt an. „Wie bei der Anwendung des Märzenschnees, sollte es sogar Sommersprossen wegzaubern können. Man müsse nur daran glauben. Sogar den Tieren habe man Osterwasser verabreicht oder sie damit besprengt. Auch würde das Wasser nicht verfaulen, wenn man es richtig aufbewahre“.

„Beim Schöpfen, bzw. Waschen mußte eine bestimmter Spruch aufgesagt werden“, erinnerte sie sich und fügte bedauernd an: „Leider ist mir der korrekte Inhalt entfallen, aber sinngemäß habe der Spruch wie eine Bitte geklungen. Es wurde um Linderung oder Beseitigung des Schmerzes oder des Leidens gebeten.“ Obwohl dieser Brauch ein Überbleibsel aus der heidnischen Zeit ist, endete er in unserer Region eigentlich immer mit den Worten: „Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heilligen Geistes.“

Das Osterwasser musste in der Nacht zum Ostersonntag vor Sonnenaufgang geschöpft werden. Damit die Wirkung des Wassers nicht verloren ging, musste der Hin- und Rückweg zur Wasserstelle schweigend zurückgelegt werden. Das war das oberste einzuhaltende Gebot. Darum war es heimtückisch, wenn die jungen Burschen den Mädchen und Frauen auflauerten, um sie in ein Gespräch zu verwickeln oder sie sogar mit Wasser zu beschütten. Es kam auch vor, dass sie unbeliebten Mädchen Wasser auf die Diele gossen.

Auch Emma Mügges Schweigepflicht wurde einmal hart auf die Probe gestellt. Ein Nachbar kam ihr entgegen wünschte einen „Guten Morgen“ und fragte: „Emma, wo wutt dau denn henn sau freuh am Morgen?“ (wo willst du hin so früh am Morgen). Als sie nicht antwortete, wiederholte er seine Frage. Als Emma wortlos weiterlief rief er grollend: „Watt is denn huite mit deck los? Dau bist woll mit´n linken Bein uppestahn! Iss däin Maul annewassen?“ (Was ist denn heute mit dir los? Du bist wohl mit dem linken Bein aufgestanden! Ist dein Mund angewachsen?)

Emma war sich durchaus ihrer Unhöflichkeit bewusst, dachte aber voller Sorge an das auferlegte Redeverbot, welches sie hätte brechen müssen. Darum rannte sie davon, als sei der leibhaftige Teufel hinter ihr hergewesen. Der „freundliche“ Nachbar rief jetzt noch ein paar derbe Schimpfworte hinterdrein. Doch sie hatte ihr Ziel froh darüber, kein Wort gesprochen zu haben, erreicht und konnte nun beruhigt ihr Osterwasser schöpfen. Bei Emma Mügge muss das kostbare Nass augenscheinlich gewirkt haben, denn bis ins hohe Alter hinein erfreute sie sich bester Gesundheit.

Einem Zitat aus dem OKA vom 16. 03. 1990 zufolge, lautete ein aus dem Harzgebiet überlieferter Ausspruch folgendermaßen:

„Water, Water, ek klage dek,

miene Schmarzen plaget mek,

nimm sie midde in dien Graaf

und hebbe se up bis open jüngsten Dag“

Hochdeutsch:

Wasser, Wasser, ich klage dir

Meine Schmerzen plagen mich.

Nimm sie mit in dein Grab

und hebe sie auf bis auf den jüngsten Tag. 

 

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