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08.04.2017

Das Sanatorium - Kapitel 14


Hier nun der Abschluss unserer hoffentlich spannenden Geschichte um das leerstehende Sanatorium. Über Kritik und Lob würden wir uns natürlich freuen, ganz besonders um Meinungsäußerungen an admin@eseltreiber.de , ob wir ein solches Projekt wieder einmal starten sollen.

von Christian Dolle

Kapitel 14 - Niemals vergessen

Acy saß aufrecht in ihrem Krankenhausbett. Das Zimmer war in den letzten paar Jahren beinahe zu ihrem eigenen geworden. Auf dem Nachttisch lagen ihre persönlichen Sachen, in der Fensterbank standen mehrere Blumenvasen, dahinter konnte sie einen strahlend blauen Himmel mit einigen Zuckerwattewolken sehen. Nicht selten hatte sie das Gefühl beschlichen, dieser Anblick wolle sie nur verhöhnen. In diesem Zimmer hatte sie die Hölle auf Erden erlebt und bis jetzt überlebt. Noch hatte der Krebs sie nicht kleingekriegt und würde es auch diesmal nicht schaffen.

Es klopfte und Dr. Martin trat ein. Auch ihn kannte sie inzwischen ziemlich gut und hatte ihm im Laufe der Zeit sogar beibringen können, ihr Nachrichten nicht schonend, sondern kurz und schmerzlos beizubringen. Heute lächelte der Arzt. „Alles gut“, sagte er, „keine neuen Metastasen.“ Acy erwiderte sein Lächeln, ließ sich in ihr Kissen zurücksinken.

Als der Arzt das Zimmer wieder verlassen hatte, schickte sie das Untersuchungsergebnis per WhatsApp an ihre Eltern und engsten Freunde. Inzwischen hatte sie auch Meena, Gideon, Kim, Jacky und selbst Nico in diese Gruppe mit aufgenommen. Immerhin hatten sie gemeinsam etwas erlebt, was sie nie wieder vergessen würde. Nicht einmal, wenn ihr Lebensende noch eine ganze Weile in der Zukunft lag, dachte sie zynisch.

Kim war der erste, der sich meldete. „Dann kannst du ja doch noch ein paar Lost Places mit uns erkunden“, schrieb er mit einem zwinkernden Smiley dahinter. Es brachte sie zum lächeln und trieb ihr Tränen der Erleichterung in die Augen. Jetzt kamen auch die Antworten von Sarah, ihren Eltern und einigen anderen an. Die Krankheit war zu etwas geworden, über das sie online kommunizieren konnte. Vielleicht war das auch der Weg, um sich durch sie nicht ihr Leben bestimmen zu lassen.

Sie rief jetzt Youtube auf und klickte Gideons Videos an. Das über das Sanatorium Haus Helene ließ die Erinnerungen an die Nacht im Harz sofort wieder lebendig werden. Obwohl sie nur auf dem Display sah, wie die Kamera die langen dunklen Flure entlang zoomte, meinte sie einen leichten Luftzug spüren zu können und den abgestandenen modrigen Geruch in der Nase zu haben. Ein wenig Gänsehaut verursachten die Aufnahmen bei ihr immer noch.

Am Ende des Videos gab es einen Schnitt und sie sah Gideon in seinem Zimmer sitzen. „Ja, Leute, kein Fake“, sagte er in die Kamera, „wir haben da unten tatsächlich Waffen gefunden. Kriegswaffen und auch welche aus neueren Zeiten, wie sich später herausstellte. Ein echtes illegales Waffenlager,  von dem aus, so fand die Polizei schließlich heraus, kriminelle Banden in Deutschland und ganz Europa versorgt wurden. Von dem ganzen anderen Zeug, den Flaggen und so, war später übrigens nie wieder die Rede.“

Es waren nun wieder Aufnahmen aus dem Sanatorium zu sehen und Gideons Stimme kam aus dem Off. „Ich könnte euch noch erzählen, dass wir von den Tätern durch den Wald verfolgt wurden, ihnen entkommen sind, die Polizei alarmierten und solange auf sie einredeten bis sie mitten in der Nacht zum Haus Helene fuhren und gerade noch rechtzeitig kamen, bevor die Täter alles ausräumen und wegschaffen konnten. Aber das würdet ihr mir sowieso nicht glauben. Also lasse ich das und hoffe lieber, dass ihr auch nächstes Mal wieder mit dabei seid, wenn wir uns an verlassene Orte wagen und längst vergessenen Geheimnissen auf die Spur kommen. Lasst mir einen Daumen nach oben da, bevor ihr hoffentlich tief und fest schlafen könnt, euer Gideon.“


 

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