Kultur

05.04.2017

„Auch auf Luther sang und trank die SED“


Zweiter Vortrag der Universitätstage: Der Missbrauch Luthers in der DDR

Zu Ehren des 500. Reformationsjubiläums beleuchten die Lauterberger Universitätstage des Kulturkreises in diesem Jahr die Reformation aus unterschiedlichen Perspektiven. Der zweite Vortrag beschäftigte sich am Donnerstagabend im Kurhaus Café Amadeus mit dem Missbrauch Luthers in der DDR. Ein schwieriges und heikles Thema, möchte man als Besucher meinen.

Doch der Referent Dr. phil. Erhart Neubert aus Erfurt/Limlingerode, zu damaliger Zeit Studentenpfarrer, Mann der Zeitgeschichte und in der DDR selbst in verschiedenen Oppositionsgruppen tätig, brachte seine Sicht der Dinge mit vielen Zitaten, Beispielen und persönlichen Erlebnissen anschaulich nahe.

Sein Wissen niedergeschrieben, hatte Neubert bereits 1997: In dem Jahr erschien sein Standardwerk „Geschichte der Opposition in der DDR 1949 – 1990“. In seinem Vortrag stellte der Referent heraus, dass die Reformation Luthers in allen Zeiten von den weltlichen Herren für ihre jeweiligen Zwecke in Anspruch genommen wurde. Während Martin Luther in den ersten Jahren der DDR in der Ideologie der SED noch als „Fürstenknecht“ und „Bauernschinder“ diffamiert wurde, wandelte sich das propagierte Bild im Laufe der Jahrzehnte komplett. 1978 erschien Luther in der Propaganda der SED plötzlich als humanistischer Vorkämpfer der frühbürgerlichen Revolution gegen den Feudalismus und wurde als solcher in den höchsten Tönen gelobt.

„Auch auf Luther sang und trank die SED“, stellte Neubert augenzwinkert fest, was durch einige Schriften überliefert sei. Sowieso beeindruckte er mit seiner kurzweiligen Art und hatte einige Lacher auf seiner Seite. Auch dass er üppige, eingeschweißte Luther-Marken der DDR von 1983, die damit ihren Anspruch auf Luther dokumentieren wollte, und einen Brief von seinem Vater an ihn selbst aus dem gleichen Jahr mit einer kleinen, bescheidenen Luther-Marke der Bundesrepublik herumgab, begeisterte nicht nur die geschichtsinteressierten Zuhörer.

Schade, dass an solchen Vorträgen oft nur das gesetztere Publikum teilnimmt. In jedem Fall war das letztgenannte erstmal still nach dieser interessanten Geschichtsstunde der etwas anderen Art. „Ich spüre die Nachdenklichkeit und eine gewisse Sprachlosigkeit“, kommentierte Pastor i.R. Helmut Sassenberg dann auch im Anschluss. „Klug geredet – danke!“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht folgendes: Im Mai geht es mit den Universitätstagen zum Lutherjahr weiter.
 
Am Donnerstag, 4. Mai, referiert Prof. Dr. Thomas Kaufmann, Göttingen, um 19.30 Uhr zum Thema „Luthers Haltung gegenüber den Juden und dem Islam“ und am Donnerstag, 11. Mai, um 19.30 Uhr lautet das Thema: „Die Lutherjubiläen der vergangenen Jahrhunderte“ mit Prof. Dr. Hartmut Lehmann, Kiel. Veranstaltungsort ist jeweils das Café Amadeus in Bad Lauterberg.


Dr. phil. Erhart Neubert



 

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